Hebammenkrise: Kapazitätsmängel verursachen Geburtsschäden
Trotz steigender Geburtenzahl in Deutschland sinken die Kapazitäten für Entbindungen an den Krankenhäusern. Gab es 1990 noch 1.186 Geburtsstationen in Deutschland, so waren es 2015 nur noch 709. Allein in Berlin wurden in den letzten Jahren zwei Geburtsstationen geschlossen. Grund dafür ist u.a. ein Rückgang der Zahl der Hebammen. Auch in unserer Kanzlei für Medizinrecht stellen wir vermehrte Probleme wegen des Rückkgangs der Kapazitäten im Bereich der Geburtshilfe fest — auch im Bereich der Geburtsschäden.
Mehr Geburten, weniger Hebammen
Geburten sind häufig teurer als der Pauschalbetrag, der den Krankenhäusern pro Geburt gezahlt wird. Die Kliniken geraten unter Druck zu sparen. Die Zahl der festangestellten Hebammen wird verringert. Die verbleibenden Geburtshelferinnen müssen Überstunden absolvieren, können kaum Pausen machen. Sie betreuen teilweise bis zu fünf Geburten zugleich. Dies führt wiederum dazu, dass immer weniger Hebammen bereit sind, an Krankenhäusern zu arbeiten. Viele der wenigen Stellen bleiben unbesetzt. Auch die Gehaltserhöhungen zum Januar 2017 heben das Problem nicht auf.
Auch die Presse (z.B. die taz oder auch die Berliner Morgenpost) und andere Blogs (z.B. handverlesenswert) berichten über die krisenhafte Zuspitzung.
Komplikationen und Verspätungen bei der Geburt
Es ist ein Teufelskreis. Er führt für die Gebärenden dazu, dass sie sich eines Platzes im Kreißsaal des nächsten Krankenhauses nicht sicher sein können. Sie müssen weite Wege auf sich nehmen und werden häufig noch während der Wehen an ein anderes Krankenhaus mit Kapazitäten verwiesen. Laut Erfahrungsberichten muss teilweise sogar selbständig (!) ein „freies“ Krankenhaus ausfindig gemacht werden, auch in Fällen bekannter Risiko-Schwangerschaften.
Neben den Unannehmlichkeiten für die Gebärende selbst, die langes Warten in vollen Räumen, fehlende psychische Betreuung und Schmerztherapie, sowie die Belastung der Unsicherheit umfassen, stellt dieser Missstand auch eine Ursache für mögliche Geburtsschäden dar.
Sauerstoffmangel ist in Deutschland insgesamt die häufigste Ursache für ernsthafte Geburtsschäden. Auch Nabelschnurvorfälle, die beispielsweise während der Reise zu einem behandlungsbereiten Krankenhaus entstehen, können zu schweren Hirnschäden und anderen Behinderungen, im schlimmsten Fall auch zum Tod des Kindes führen. Selbst, wenn man rechtzeitig ein Krankenhaus mit Kapazitäten gefunden hat, besteht aufgrund der Überbelastung der Hebammen ein erhöhtes Risiko für Geburtskomplikationen: Langjährigen Studien zufolge werden bei Betreuung mehrerer Geburten durch eine einzige Hebamme bei jeder Geburt deutlich häufiger ärztliche Eingriffe und die Verabreichung von Schmerzmitteln an die Mutter erforderlich.
Schadensersatz und Schmerzensgeld für Mutter und Kind bei Geburtsschäden
Aus Geburtsschäden können Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche sowohl des geschädigten Kindes als auch der unnötig belasteten Mutter entstehen.
So hat das OLG München einem Kind, welches grob fehlerhaft verspätet entbunden wurde und aufgrund eines Nabelschnurvorfalls schwerstbehindert war, ein Schmerzensgeld von über 300.000 € zugesprochen (OLG München, 23.12.2011, 1 U 3410/09). Einer Mutter wurden wegen einer unnötigen Verlängerung der Geburt und den damit verbundenen Schmerzen und Sorgen um das Kind bereits 500 € zugestanden (vgl. auch: OLG Koblenz, 26.2.2009, 5 U 1212/07).
Die Geltendmachung von Schmerzensgeldern und weiterer Schadensersatzansprüche bei Geburtsschäden gehört zu den Schwerpunkten unserer medizinrechtlichen Kanzlei.