Ereignisrekorder: keine stationäre Behandlung abrechenbar
Kanzleierfolg in einem Ereignisrekorder-Fall: In einem Abrechnungsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse konnten wir erfolgreich den Rückforderungsanspruch einer gesetzlichen Krankenkasse realisieren. Das Krankenhaus hatte einem Versicherten einen Ereignisrekorder implantiert. Aufnahme und Entlassung erfolgten taggleich. Streitig war nun, ob die Implantation des Ereignisrekorders als stationäre Behandlung abrechenbar ist.
Die anwaltlich vertretene Gegenseite vermochte auf die vertiefte rechtliche Argumentation unserer Kanzlei nicht mehr inhaltlich zu erwidern. Sie erkannte die Klageforderung an. Wir zeigen hier den Hintergrund des Falles überblicksartig auf:
Ereignisrekorder können in der Regel ambulant implantiert werden
Die Implantation eines Ereignisrekorders (Event Recorder) kann in aller Regel auch ambulant erfolgen. Dies ist gelebte medizinische Praxis in Deutschland. Problematisch ist aber die Vergütung der Implantation in der vertragsärztlichen Versorgung. Während nach der GOÄ eine Abrechnung möglich ist (auch hier), besteht eine solche Abrechenbarkeit im ambulanten Sektor zulasten der GKV gegenwärtig nicht. Allein aus medizinischer Sicht ist die Implantation gleichwohl (in aller Regel) ambulant möglich. Es handelt sich um einen minimalinvasiven Eingriff, bei dem der Arzt den Rekorder unter die Haut verbringt. Hierfür bedarf es eines kleinen Hautschnitts. Es genügt oft eine örtliche Betäubung. Wesentliche Risiken sind etwa Überempfindlichkeitsreaktionen, Narbenbildungen oder Wundheilungsstörungen. Zu den Komplikationen insgesamt verweisen wir auf eine Muster-Patientenaufklärung eines Herstellers.
Gründe dafür, vor der Behandlung eine stationäre Leistungserbringung für erforderlich zu halten, gibt es in aller Regel nicht.
Nach § 39 SGB V sind allein medizinische Aspekte für die Beurteilung der Erforderlichkeit der stationären Behandlung maßgeblich
Aus § 39 SGB V folgt in ständiger Rechtsprechung, dass nur medizinische Aspekte für die Beurteilung der Erforderlichkeit maßgeblich sind. Die Rechtsprechung vertritt zudem, dass weder Defizite in der ambulanten Versorgung noch die Nichtabrechenbarkeit einer Leistung im ambulanten Sektor die Erforderlichkeit der stationären Behandlung begründen können.
Dieser Umstand trat vor allem in Entscheidungen zu Tage, die umstrittene bzw. „grenzwertige“ GKV-Leistungen zum Gegenstand hatten, etwa im Bereich der Adipositas-Chirurgie. Wenn eine Leistung ambulant erbringbar, aber nicht abrechenbar ist, begründet dieser Umstand (für sich genommen) nicht die Erforderlichkeit der stationären Behandlung.
Gleiches gilt auch hier: Ein Ereignisrekorder kann grundsätzlich (aus medizinischer Sicht) ambulant implantiert werden, weil es sich sich nur um einen Kleinsteingriff handelt. Wenn nicht gerade atypische Gründe des Einzelfalles vorliegen, gibt es regelmäßig keinen Grund, diese Leistung stationär zu erbringen.
Daher musste das Krankenhaus der Krankenkasse die daraus folgende Überzahlung zurückzahlen. Es handelt sich um einen Fall primärer Fehlbelegung. Zurückzuzahlen war daher die gesamte Vergütung für die stationäre Leistung. Die Krankenkasse muss sich auch nicht auf fiktive Alternativvergütungen oder die Materialkosten verweisen lassen.
Dies gilt unabhängig davon, ob eine taggleiche Entlassung erfolgt oder der Versicherte stationär übernachtet. Denn in der Regel wird die Inanspruchnahme der besonderen Mittel des Krankenhauses weder am Tage noch in der Nacht erforderlich sein.
Vertretung im Rahmen stationärer Abrechnungsauseinandersetzungen
Als medizinrechtliche Kanzlei vertreten wir im Rahmen stationärer Abrechnungsauseinandersetzungen. Schwerpunktmäßig bearbeitet Rechtsanwalt Krahnert diese Fälle, der zugleich Arzt ist. Gerade diese Doppelqualifikation ermöglicht eine zielführende Mandatsbearbeitung.
In diesem Artikel können wir nur eine Überblick über die Hintergründe des Falles geben. Er ersetzt keine Beratung im Einzelfall und keine vertiefte Argumentation. Gerne können Sie Kontakt mit uns aufnehmen, wenn wir auch Sie bei der Bearbeitung streitiger Krankenhausabrechnungen unterstützen können.
16 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Soweit so gut. Formal juristisch. Und wie soll dann diese ambulante Leistung, die medizinisch sinnvoll ist (in mehreren Leitlinien- Bsp. Synkope- verankert) erbracht werden, wenn sie nicht vergütet wird? Rein ökonomisch können sich die Leistungserbringer ja nur von der Leistung zurückziehen- also die medizinisch sinnvolle Leistung dem Patienten „vorenthalten“.
Am ehesten ist hier meines Erachtens das Einholen einer Kostenzusage im Vorfeld der Behandlung sinnvoll. Zu Ihrem Kommentar: Sie können genauso die Frage stellen, wie die medizinisch sinnvolle Leistung stationär erbracht werden soll, wenn sie nicht vergütet wird. Denn auch dafür besteht (ebenso wenig wie im ambulanten Bereich) die rechtliche Grundlage. Die stationäre Behandlung ist nicht das „Auffangbecken“. Wenn die Behandlung ambulant erbringbar ist, muss letztlich die Behandlung und Vergütung auch in diesem Setting erfolgen. Ich weiß, dass auch dort die Abrechenbarkeit nicht gegeben ist. Aber warum soll sie dann deshalb stationär möglich sein?
Antwort auf Herrn Krahnerts Kommentar vom 29.9. auf Herrn Dr. Neisers Beitrag vom 14.9.:
Genau deshalb! In meinem weiteren Kommentar von heute weiter unten habe ich das polemisch nach „Zur Strafe.. stationär“ begründet.
Konkret: Eventrekorder sind seit weit mehr als 10:Jahren auch in Deutschland im klinischen Einsatz, wurden damals im Krankenhaus eingeführt, gelten mithin – zumindest im Zusammenhang mit rhythmologischen Behandlungen – als in die stationäre Versorgung eingeführt (in sofern diese dort vergütet werden) und wurden dort auch nie explizit „herausgenommen“, was nur der G‑BA per 137c Absatz 1 schaffen könnte, Diverse NUB Anfragen von Krankenhäusern laufen auf den Status 2 hinaus. Eventrekorder wurden aber auch nie in den ambulanten Sektor per 135 eingeführt, wofür sich bislang keiner der Antragsberechtigten hergab. (Ich schaue da bewusst nicht allein auf den GKV-SV!) Man kann nun die Hersteller bezichtigen, wenn sie ab 2013 die Chance des 137e nicht nutzten. Nicht ausgeschlossen ist, dass eine Erprobung nach 137e bis heute nicht abgeschlossen wäre. Also bleibt es (seit 2015) beim 137c Absatz 3 für den Eventrekorder und schon den können die Instanzen der Sozialgerichte bekanntlich im Einzelfall auslegen „wie es passt“. Der „Trick“ über §39 SGB V bei ambulant-verdächtigen Methoden ohne G‑BA Nutzenbewertung ist anscheinend nicht contra legem, aber offenbart in diesem Fall auch eine Ahnung von dem, was hinter der Fassade in der Selbstverwaltung gespielt wird, wenn sich niemand um die regelhafte ambulante Vergütungsfähigkeit schert und das Spiel in der Binnenkontrolle festhält, wo die Kasse am Geldhahn sitzt. Die einen machen es dann eben nicht mehr, wenn es die anderen nicht mehr zahlen – genauso auch anders herum. Patient am Ende der Interessenskette.
Soll man über den „GOÄ Vergleich“ in diesem Fall also jubeln? Ich frage mich als Nichtjurist jetzt nicht, ob dieses Urteil denn nicht auch irgendwo rechtswidrig ist. Als Krankenhaus würde ich mich nur schwer mit dem Vergleich abfinden können und hätte im ersten Moment vom Ärger getragende Lust in die nächste Instanz zu ziehen. Das Problem wird aber durch die Judikation nicht zu lösen sein und die Rechtsvertretung der „siegreichen“ Krankenkasse hat soweit in diesem Fall nichts weiter als ihren Job respektabel gemacht. Für Jubel oder Stolz darüber hinaus sehe ich keinen Anlass, wenn aus dem Einzelfall nichts weiter folgt. Dann „versagt auch das legislative System“ an dieser Stelle.
(Dieser Kommentar wurde abgegeben, nachdem schon weitere – weiter unten – verfasst waren. Der Beitrag von Dr. Neiser vom 14.9. wurde für mich leider erst am 29.9. mit der Antwort von Herrn Krahnert sichtbar.)
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich kenne das Problem aus der Patientensicht aus dem Familienkreis, wo das KH den Patienten am Ende eines Einweisungs- und Entlassungsmarathons „widerwillig“ mit einem Eventrekorder versorgte.
Wie ist der „normale“ Fall zu bewerten, wenn sich der Patient mit einer vertragsärztlichen stationären Einweisung mit entsprechener Hauptdiagnose im KH vorstellt und es sich dort – vor Entscheidung des KH zur stationären Aufnahme – abgezeichnet, dass zwar eine Behandlungsnotwendigkeit des Patienten besteht, diese jedoch „eigentlich“ auch vertragsärztlich zu erbringen wäre, es aber in diesem Falle an leistungswilligen Vertragsärzten mangelt, was hier insbesondere aus Gründen der fehlender EBM-Vergütbarkeit nachvollziehbar begründet werden kann.
Somit sieht sich das KH in der Behandlungspflicht, führt diese Behandlung durch und entlässt den Patienten unter Beachtung der Gebote nach §§ 2, 12 SGB V noch am gleichen Tag. Eine Abrechnung nach DRG verbietet sich dann. Muss die Kasse die Abrechnung über GOÄ und Sachkosten sofort „Ohne Weiteres / Ohne Vorheriges„ akzeptieren? Welche negativen Folgen könnte dieses Vorgehen für das KH post ex noch haben? Muss das KH formal eine vom Patienten beizubringende Kostenübernahmeerklärung seiner Kasse einfordern, bevor es die Leistung ambulant erbringen kann? Oder rechnet es besser erstmal per DRG ab, um sich dann klaglos auch mit der GOÄ Abrechnung zufrieden zu geben?
Vielleicht hilft das allen Beteiligten pragmatisch und unbürokratisch weiter, solange der Eventrekorder noch nicht im EBM ist.
Besten Dank im voraus für Ihre Meinung dazu.
Guten Tag Herr Schaffrath,
für das Krankenhaus kann es so enden, dass es letztlich komplett leer ausgeht, weil eine Abrechnung nach der GOÄ gegenüber den Krankenkassen auch nicht möglich ist. Es gibt keinen „Rückfall“ auf Sachkosten oder die GOÄ. Für eine ambulante Behandlung im Krankenhaus müsste die Prozedur zudem in den Katalog nach § 115b SGB V (AOP-Katalog) aufgenommen sein. Letztlich lässt sich das Problem aktuell nur so lösen, dass die Kostenübernahme im Einzelfall vorab mit der Krankenkasse geklärt wird. Grundsätzlich handelt es sich jedoch gegenwärtig um einen „Fehler“ im Abrechnungssystem, der nur durch eine Anpassung der Vergütungsregeln (für die Zukunft) gelöst werden kann. Bis dahin sollte eine Kostenübernahmeerklärung im Einzelfall in Vorab-Absprache mit der Krankenkasse in den meisten Fällen helfen.
Freundliche Grüße
Sebastian Krahnert
Sehr geehrter Herr Krahnert, für Ihre prompte Antwort möchte ich mich herzlich bedanken. Also muss der Patient darauf vertrauen, dass sich sein Krankenhaus oder Vertragsarzt für ihn bei seiner Kasse einsetzt oder muss der Patient dann wie beim Zahnarzt einen Heil-und Kostenplan dem Krankenhaus vorweisen, damit dieses die angezeigte und notwendige Behandlung vornimmt. In dem Fall in unserer Familie hat es nach Indikationsstellung 3 Wochen gedauert, bis der Patient doch ambulant im Krankenhaus den Eventrekorder bekommen hat. Irgendwer hatte das dann wohl doch für ihn geklärt. Was für ein Irrwitz, ist das nicht quasi auch schon „eine Art Systemversagen“?
Mit besten Grüßen
H. Schaffrath
Ja, das ist ein Systemversagen! Es gibt aus kardiologischer Sicht in internationalen Leitlinien klar formulierte Indikation für einen implantierbaren Ereignisrekorder. Die deutschen Krankenversicherungen stehlen sich hier aus rein ökonomischen Motiven aus der Verantwortung! Im internationalen Vergleich peinlich und ein Nachteil für die Versicherten!
Das die RA-Kanzlei hier juristisch erfolgreich für die Krankenversicherung gearbeitet hat mag fachlich ein Erfolg sein, ist aber eine weitere Entscheidung gegen eine gute Medizin!
NB! Sicher muss die Indikation immer gut begründet und fundiert sein, was bei zu leichter „Freigabe“ der Vergütung sicher nicht immer der Fall ist!
Guten Abend Herr Dr. Breithardt,
vielen Dank für Ihren Kommentar. An der Indikation zweifelt niemand. Es geht darum, dass die Implantation im ambulanten Sektor erfolgen müsste. Den rechtlichen Hintergrund haben wir aufgezeigt (Vorrang der ambulanten Behandlung nach medizinischer Maßgabe).
Eine Krankenkasse ist zum ökonomischen Arbeiten gesetzlich verpflichtet, ein Krankenhaus zumindest aus betriebswirtschaftlicher Logik heraus. In der Vielzahl unserer Verfahren haben wir so manche Merkwürdigkeit auch auf Krankenhausseite gesehen: künstliches Fallsplitting, weil zwei Fallpauschalen meist besser sind als eine; „kreative“ Kodiervarianten usw.
Hier kann ich die Doku „Operieren und kassieren“ (ARD) sehr empfehlen. Ich denke, der Vorwurf ökonomischer Eigeninteressen ist stets mit Vorsicht zu genießen, weil er meist als Bumerang zurückkommen kann.
Es gibt auch Blogs, in denen Kanzleien Erfolge „auf Krankenhausseite“ veröffentlichen. Es ist mal so und mal so. Ich finde es verwunderlich, dass dieses Problem hier noch immer nicht richtig gelöst ist, obwohl seit Jahren bekannt. Letztlich liegt hier der Kern des Problems. Allerdings sind daran nicht die Krankenkassen schuld.
Übrigens muss nicht nur die Indikationsstellung als solche gut begründet sein, sondern auch die Indikation zur stationären Versorgung.
Freundliche Grüße
Sebastian Krahnert
Danke für die rasche Antwort – formal juristisch haben Sie natürlich Recht!!!
Sie schreiben weiter oben jedoch auch selbst:
„Für eine ambulante Behandlung im Krankenhaus müsste die Prozedur zudem in den Katalog nach § 115b SGB V (AOP-Katalog) aufgenommen sein. Letztlich lässt sich das Problem aktuell nur so lösen, dass die Kostenübernahme im Einzelfall vorab mit der Krankenkasse geklärt wird. Grundsätzlich handelt es sich jedoch gegenwärtig um einen “Fehler” im Abrechnungssystem, der nur durch eine Anpassung der Vergütungsregeln (für die Zukunft) gelöst werden kann. Bis dahin sollte eine Kostenübernahmeerklärung im Einzelfall in Vorab-Absprache mit der Krankenkasse in den meisten Fällen helfen.“
Viele Krankenkassen blockieren hier massiv, beim Versuch eine Kostenzusage einzuholen werden hier oft Aussagen getroffen wie „Das genehmigen wir nie vorab. Machen Sie mal, dann prüfen wir hinterher“ – das bringt niemanden weiter. Irgendwann kommt dann doch die Ablehnung. Die implantierbaren Ereignisrekorder gibt es nun inzwischen seit über 10 Jahren und die Vergütung ist immer noch nicht geklärt.…
DOCH, an dem Kern des Problems sind in erheblichem Ausmaß auch die Krankenkassen schuld, da man sich standhaft weigert Jahr für Jahr die medizinisch ausgesprochenen Indikationen anzuerkennen und hier eine angemessene Vergütung anzuerkennen. Die entsprechenden Fachgesellschaften machen hier regelmäßig entsprechende Vorschläge die nicht berücksichtigt werden.
Wir können dies hier nicht ausdiskutieren – die einschlägigen reisserischen ARD Dokumentationen kenne ich natürlich – da ist natürlich wie so oft in Ansätzen ein Körnchen Wahrheit drin, aber eben bei weitem auch nicht die ganze Wahrheit.
Wir behandeln viele sehr alte Patienten. Erklären Sie mal einer 75jährigen Frau, dass bei der 100 jährigen Mutter die sie zu Hause mühselig mit Hilfe eines Pflegedienstes versorgt, die Operation zum Schrittmacherwechsel grundsätzlich ambulant durchgeführt werden soll und sie dann bitte die 100 jährige früh Morgens bringen und Abends nach 1h tiefer Analgosedierung (ugs. „Narkose“) und Schnitt, Naht und mit der Vorgabe den Arm nicht zu bewegen und auf eine Nachblutung zu achten dann wieder selbst abholen soll, am besten noch mit 20 km Anfahrt. Das ist für die 75 jährige und die 100 jährige gebrechliche Mutter nicht so einfach – juristisch aber eine klare Sache … ambulant geht vor … wenn man hier die Notwendigkeit zur stationären Behandlung dem MDK erläutern will hat man formal schlechte Karten, das Geburtsdatum und die äusseren Umstände reichen hier regelmäßig in der Papierform nicht… in der Realität stellt sich das anders dar.
wenn da mal ein ARD Dokuteam mit der Kamera vorbekommen würde, dann wäre das Votum der Gesellschaft eindeutig auf der Seite „besser mal eine Nacht stationär“!
Als betroffener Chefarzt weiss ich auch, dass die Indikation zur stationären Versorgung begründet sein muss. Dem Krankenhaus ist auferlegt bei jedem Patienten die Indikation der stationären Einweisung die vom niedergelassenen Kollegen ausgeprochen wurde nochmals zu „prüfen“. Wenn man dann aber nach vorstationärer Untersuchung (Labor, Ultraschall, körperliche Untersuchung etc) die stationäre Behandlung als Krankenhausarzt für nicht erforderlich hält und eine vorstationäre Behandlung ohne weitere stationäre Aufnahme abrechnet, dann drohen die Krankenkassen inzwischen den einweisenden Kollegen mit Regressforderungen für die fehlerhafte stationäre Einweisung. Juristisch alles korrekt – ethisch bigott! Aber das sind Probleme, um die sie sich als Jurist fachlich nicht kümmern müssen…
Im übrigen finde ich die Hinweise auf „ökonomische Eigeninteressen“ mit dem Vorwurf an die Ärzteschaft gerade aus der Ecke von Rechtsanwälten zweifelhaft. Als Krankenhausarzt ist mein Einkommen nicht direkt von den Fallzahlen abhängig – mit meinem persönlichen aktuellen Chefarztvertrag gibt es auch keinerlei (!) Anreize aus der Privatliquidation mehr!!! Das sieht für jede (!) Anwaltskanzlei anders aus.…
PD Dr.med. Ole‑A. Breithardt, Kassel
Wir können diese Probleme hier tatsächlich nicht ausdiskutieren. Ich kann Ihre Perspektive verstehen und danke Ihnen, dass Sie kommentiert haben. Gerade die Fälle mit Bezug zur Medizin versuche ich auch aus ärztlicher Perspektive, meinem ersten Beruf, zu beurteilen.
Als Anwaltskanzlei unterliegen wir selbstverständlich ökonomischen Interessen, wobei auch hier anwaltliche Ethik zu beachten ist. Zumindest für unsere Kanzlei gesprochen, kann ich sagen, dass wir auf Fairness und Ehrlichkeit im Umgang mit unseren Mandanten großen Wert legen.
Sehr geehrter Herr RA Krahnert.
Halten Sie es wirklich für fair, wenn Krankenhäuser für Ihre „lege artis“ erbrachten Leistungen, bei denen zudem noch sehr teure Implantate zum Einsatz kommen, keinerlei Vergütung erhalten?
Ich unterstelle mal, dass der „Herr Anwalt“ einen Mandanten, der ihm – vielleicht sogar mit Hilfe juristischer Haarspaltereien – sein wohl verdientes Honorar vorenthält, kein zweites Mal vertreten würde.
Wenn Sie in Ihrem Mandanten-Verhältnis zu den Krankenkassen tatsächlich „auf Fairness und Ehrlichkeit im Umgang“ setzen können, dann ist das ja sehr schön, als langjähriger Mitarbeiter eines Krankenhauses kann ich das leider nicht mehr. Schuld daran sind nicht zuletzt Anwälte!
Ihre wahre Meinung über Krankenhäuser, Ärzte etc., die Ihrer Ansicht nach ausschließlich in Wahrheit nur Ihre ökonomischen Interessen vertreten, wird ja zumindest „zwischen den Zeilen“ deutlich. Eine Sichtweise, die mittlerweile – dank geschickter Pressearbeit der Krankenkassen und des sogenannten „investigativen Journalismus“ – auch bis in die höchste Sozialgerichtsbarkeit vorgedrungen zu sein scheint, und leider dazu geeignet ist, das letzte bisschen Vertrauen von Patienten zu ihren behandelnden Ärzten in ihren Grundfesten zu erschüttern.
Dafür noch einmal herzlichen Dank!
Guten Abend Herr Dr. Pupkes, vielen Dank für Ihren Kommentar. Selbstverständlich respektiere ich Ihre Meinung, auch wenn ich denke, dass sich die Dinge nicht ganz so monokausal verhalten. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die Krankenhäuser wesentlich häufiger anwaltlich vertreten sind als Krankenkassen. Aus meinem eigenen Medizinstudium habe ich in meinem Freundeskreis viele Ärzte, kenne die Tätigkeit persönlich. Selbstverständlich gehe ich nicht davon aus, dass Ärzte nur ihre ökonomischen Interessen verfolgen. Auch wirtschaftliche Interessen zu haben (nicht ausschließlich), ist im Übrigen nicht verwerflich. Das wissen Sie dank Ihrer beachtlichen Qualifikation sicher auch. Es muss nur im Rahmen der Regeln erfolgen.
Sehr geehrte Herren,
da ich die öffentliche Diskussion weiter mitverfolge, bin ich auch gewillt, diese nicht nur als Blitzableiter zu betrachten und in ein paar Tagen als „vergessen“ abgehakt zu haben.
Das Beispiel des Eventrekorders ist eines der seit Jahren eklatanten – und ich nenne es weiter so, obwohl formal juristisch sicher nicht korrekt – permanent unterschwelligen SYSTEMVERSAGEN. (Nun hatte es auch meine eigene Familie erreicht.)
Um es klar zu sagen: Es ist mir übel aufgestoßen, als ich den Triumpf lesen musste: „Die anwaltlich vertretene Gegenseite vermochte auf die vertiefte rechtliche Argumentation unserer Kanzlei nicht mehr inhaltlich zu erwidern. Sie erkannte die Klageforderung an.“ KO dem Krankenhaus!
Wäre ich die Gegenseite im Rechtsstreit, ich wäre auch KO gewesen. Abgesehen vom neidlos anzuerkennenden und notwendigen Juristengeschick bei der Gesetzesauslegung im Interesse des jeweiligen Mandanten, abgesehen davon, dass das Gericht der Argumentation zwangsläufig folgen musste, weil § 39 SGB V so ist wie er ist: Das Krankenhaus wird durch solche Einzelfallbeschlüsse dahin getrieben, es beim einzigen Einzelfall zu belassen und in Zukunft „etwas anders“ zu machen. Aber was? Diese Ambivalenz, wenn sie nicht schon als Verzweiflung bezeichnet werden muss, ist spürbar und anhaltend. Ambivalenz und Ungewissheit macht jeden Verzweifelten auf Dauer krank (und andere zwar reich aber auch nicht glücklich…)
Der § 39 SGB V selbst ist „stationär behandlungsnotwendig“, weil er die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung „monokausal“ auf medizinische Gründe beschränkt, ohne dabei die ambulante Versorgungssituation des Patienten nach seiner „Abweisung“ ernsthaft in Erwägung zu ziehen und die optimalste sektorale Versorgungsvariante für den einzelnen Patienten sofort bei der Aufnahmeuntersuchung im Krankenhaus zu bestimmen, wenn dieser schon nicht aufnahmenotwendig ist. Der Patient ist mit gutem Grund im Krankenhaus angekommen! Das gilt auch und gerade dann, wenn aufgrund der fehlenden ambulanten Vergütungsfähigkeit der angezeigten Behandlung – und in der Folge Leistungsunwilligkeit der vertragsärztlichen Versorger im regionalen Umfeld des Krankenhauses – der Patient wieder zwangsläufig sich selbst überlassen bleiben müsste. Dann muss eben gelten: „Zur Strafe“ stationär behandeln– natürlich immer unter Beachtung der Gebote §§2, 12 SGB V – solange es keine ersthafte kollektivvertragliche Initiative der GKV nach § 135 SGB V gibt, um auch dem „unterschwelligsten“ SYSTEMVERSAGEN in solchen Fällen abzuhelfen. (Sachliche – nicht die juristischen – Einwände der Kostenträger kann ich mir dazu selbst ausdenken…). Ich bin gespannt, ob sich mal ein Sozialgericht zu dieser Erkenntnis durchringt. Unmöglich erscheint dies nicht (siehe die Interpretation des § 137c Abs. 3 SGB V im Urteil eines Sozialgerichtes unterer Instanz in jüngster Zeit, zeitlich nach und ausdrücklich entgegen dem BSG Urteil vom 24.04.2018).
Übrigens: In welchem Licht erschiene die hilflose „Abschiebungspraxis“ der Krankenhäuser, wenn man dieser die neuerlichen gesetzlichen Normierungen zum Entlassmanagement gegenüberstellt, wo das Krankenhaus die Organisation der ambulanten Weiterbehandlung sogar per Gesetz vorgeschrieben bekommen muss. Ich gehe davon aus, dass ein verantwortungsbewusster, sprich „guter“ KH-Arzt dies sogar als seine Verpflichtung ansieht, weil es ein ungeschriebenes „Nachsorgegebot“ ist, wie es jede renommierte Autowerkstatt für Ihre Kunden freiwillig auch befolgt. Diese „guten“ Ärzte sind es, die dann – meist in ihrer Freizeit – für ihre Patienten kämpfen, damit sie die unumgänglich notwendige Behandlung im Krankenhaus bekommen, trotz des post ex Damoklesschwertes der Primären Fehlbelegung für ihren Arbeitgeber, in hoffentlich seltenen Fällen vielleicht auch entgegen einer dienstlichen Weisung der Verwaltung.
Die Krankenkassen provozieren damit die Ausprägung eines trotzigen „Erst nach dem Krankenhaus die Sintflut“ – Verhaltens der Krankenhäuser gegenüber den (eigenen) Versicherten, was im Zusammenhang mit der Entlassung schon aufgefallen war und sodann gesetzlich geregelt werden musste. Um die Folgen der mit § 39 SGB V begründbaren Abweisung vor stationärer Aufnahme für den Patienten und auch für das Krankenhaus kümmert sich bislang gesetzlich niemand. „Normalerweise“ wäre das auch nicht nötig, genauso wie das Entlassmanagement „Normalität“ sein müßte.
Mehr noch: Die Krankenkassen provozieren ein „Augen zu vor innovativen Behandlungsmethoden“, die auf Grund des medizinisch-technischen Fortschritts zunehmend in die Nähe der ambulanten Erbringbarkeit geraten, aber im Moment und so schnell dort noch nicht zugelassen sind. Das wäre übrigens sowohl wirtschaftlich vorteilhaft für die Solidargemeinschaft, als auch betriebswirtschaftlich fair für die Krankenhäuser. Vom eigentlich vorrangigen Patientennutzen und seiner Sicherheit mal ganz abgesehen.
Derlei Beispiele der – je nach Perspektive – provozierten oder konstruierten Primären Fehlbelegung gibt es im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung von KH-Abrechnungen anscheinend jede Menge. Gerade die Krankenhäuser und Krankenhausärzte, die dem Wohle ihrer Patienten das Primat einräumen, sind massiv von Verlust ihrer Motivation und Reputation bedroht, ohne, dass der normal-interessierte Gesunde dies im Moment von außen zur Kenntnis nehmen kann. Immerhin haben wir rund 20 Millionen KH-Fälle im Jahr, diese werden von Patienten beansprucht, die meist die Problematik des Krankenhauses hinter den Kulissen nicht verstehen, einzelne Symptome vielleicht spüren, aber nach Gesundung die dann auch wieder heil anmutende Welt ihres Krankenhaus in der Mehrzahl glücklich verlassen. Was dort aber „unsichtbar“ abgeht, kann man einer aktuellen Denkschrift der DKG entnehmen: (https://www.dkgev.de/media/file/96181.SOS_Notruf_aus_allen_Krankenhaeusern_an_die_Politik_final.pdf). Daraus soll hier nicht zitiert werden, denn was dort steht ist glaubhaft, nicht überzogen und auch mit dem Gebot der Fairness gegenüber den Kostenträgern – an deren Tropf jedes Krankenhaus ja immer zuerst hängen wird – geschrieben. Auch habe ich die DKG im Plenum des G‑BA „kämpfend“ erlebt.
Auch die Krankenkassen sind verpflichtet, das SGB V und nachgeordnete Normen zu beachten. Sie dürfen nicht vergüten, was nicht vergütungsfähig ist, perfektionieren aber mittlerweile im Zusammenwirken mit anderen selbstverwaltenden Institutionen (wahrscheinlich am wenigsten mit den Krankenhäusern selbst) abstrus anmutende Kontrollmechanismen fernab eines gesunden Pragmatismus, wobei der GKV-SV sogar öffentlich ankündigt, dass man sich zukünftig derer noch im weiter wachsenden Maße bedienen wird. (https://www.bibliomedmanager.de/news-des-tages/detailansicht/36468-mdk-wird-maechtiger/). Als Patient muss ich mich sarkastisch fragen, ob noch irgendein Arzt im Krankenhaus Zeit findet, mich zu behandeln, bevor er mich „kodieren“ wird.
Kein Ausweg aus dem Dilemma ist die „Vereinbarung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern zum Verzicht auf gesetzlich vorgeschrieben Abrechnungsprüfungen“: (https://kleineanfragen.de/bundestag/19/4250-vereinbarungen-zwischen-krankenkassen-und-krankenhaeusern-zum-verzicht-auf-gesetzlich-vorgeschriebene) Zu wessen Vorteil und auf wessen Kosten geht denn sowas? Vielleicht hat die Gruppe der anfragenden Abgeordneten eine Ahnung! Dies sei nur erwähnt, um auch hier nicht in Gefahr zu geraten, einseitig zu polemisieren.
Fazit: Ist da draußen jemand, der Noch-Gesunde und ihre, diese GEMEINSAME Klage wahrnimmt? (So verstehe ich den Kreis der Diskutanten in diesem Forum!) Ist da jemand, der kompetent nach kollektiven und nicht nur nach eigensinnigen Lösungen sucht UND an der Stelle sitzt, wo diese bis zur geeigneten kollektiven Lösung durchzukämpfen sind? Dieser „Jemand“ ist 100%ig ein Noch-Gesunder. Bitte melden!
„Doch wehe, wenn Sie einen Eventrekorder bräuchten…“
Ihnen ein schönes gesundes Wochenende.
Vielen Dank für Ihren Beitrag. Sie haben viele Aspekte angesprochen. Nur kurz zu einem: Selbstverständlich freuen wir uns über einen juristischen Erfolg. Ich kann Ihnen aber versichern, dass auch auf Seiten der Krankenhäuser und ihrer Anwälte gelegentlich Prozesse erfolgreich enden, manchmal auch schwer verständlich. Wenn Sie auf Blogs von Kanzleien lesen, die mehrheitlich Krankenhäuser vertreten, sehen Sie, dass auch dort erfolgreich ausgegangene Verfahren dargestellt werden. So ist es im Rechtsstaat: Mal geht es für die eine, mal für die andere Seite gut aus; manchmal einigt man sich im Vergleich.
Sehr geehrter Herr Krahnert,
gibt es zu dem Fall, ob die Implantation des Ereignisrekorders als stationäre Behandlung abrechenbar ist, auch ein SG- oder LSG-Urteil?
Vielen Dank für die Information
Auf der Ebene der Sozialgerichte gibt es wahrscheinlich etliche Entscheidungen. Spontan fällt mir eine ablehnende Entscheidung (Implantation nicht abrechenbar) des SG Mannheim ein, weil ich an diesem Verfahren beteiligt war. Auf LSG-Ebene gibt es eine Entscheidung des LSG Hamburg (Implantation nicht abrechenbar) mit nachvollziehbarer Begründung.
Viele Grüße