BSG deutet § 7 Abs. 2 S. 3, 4 PrüfvV (2014) als Ausschlussfrist an
Wir haben in einem gesonderten Artikel bereits auf den Terminsbericht aufmerksam gemacht. Jetzt liegt die Entscheidung des Bundessozialgerichts im Volltext vor: § 7 Abs. 2 S. 3, 4 PrüfvV (2014) stellt nach höchstrichterlicher Auffassung eine Ausschlussfrist dar. Das BSG hat damit die Rechtsauffassung bestätigt, die auch wir in zahlreichen Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern vehement und mit großem argumentativem Aufwand vertreten haben.
[Hinweis: Dieser Beitrag bezieht sich auf die rechtliche Lage zum Zeitpunkt der u.g. Entscheidung des Bundessozialgerichts. Das BSG hat in aktuelleren Entscheidungen im Jahr 2021 entschieden, § 7 Abs. 2 PrüfvV und § 7 Abs. 5 PrüfvV jeweils als Präklusionsregelungen und nicht als Ausschlussfristen zu interpretieren.]
Bundessozialgericht bestätigt Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
Das BSG führt zur streitigen Frage im Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 33/18 R, aus:
Während etwa § 7 Abs 2 Satz 3 und 4 der zwischen dem GKV-Spitzenverband und der DKG geschlossenen, am 1.9.2014 in Kraft getretenen Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung – PrüfvV 2014) aufgrund hinreichender Ermächtigung (vgl § 17c Abs 2 KHG; rechtsähnlich zB BSG SozR 4–2500 § 129 Nr 7 RdNr 15 ff mwN) mit der Vergütungsbegrenzung auf das Unstreitige eine wirksame, verhältnismäßige und spezielle materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthält (zutreffend etwa LSG Baden Württemberg, Urteil vom 17.4.2018 – L 11 KR 936/17 – juris RdNr 53 = KHE 2018/10), existiert für den betroffenen Behandlungsfall keine gesetzliche oder vertragliche Grundlage, nach der das Krankenhaus im Rechtsstreit über eine weder verjährte noch verwirkte Vergütungsforderung mit tatsächlichem Vorbringen nach Ablauf bestimmter Fristen ausgeschlossen wäre.
Diese Rechtsauffassung ist auch von uns zu aller Zeit vertreten worden. § 7 Abs. 2 S. 3, 4 PrüfvV ist bereits dem Wortlaut nach eindeutig eine Ausschlussfrist. Systematisch sind solche Fristen der PrüfvV nicht fremd. Sie dient dem Zweck eines effizienten Prüfverfahrens und entspricht damit der gesetzgeberischen Intention. Auch die Ermächtigungsgrundlage ist hinreichend, denn die Ermächtigungsnorm vermittelt die Befugnis zur Vereinbarung von Übersendungsfristen, so dass als Kehrseite derselben Medaille, eben auch ernsthafte Rechtsfolgen an das Versäumen entsprechender Fristen geknüpft werden dürfen.
Erfreuliche Klarstellung des Bundessozialgerichts: wirksame Ausschlussfrist bei verspäteter Unterlagenübersendung
Auch wenn für die Krankenkasse der Prozess ungünstig ausging, weil vor Geltung der PrüfvV eine entsprechende Ausschlussfrist nicht existierte, ist erfreulich, dass das Bundessozialgericht nun für eine Klarstellung sorgt. Die nach diesseitiger Ansicht kaum haltbare Meinung, die Ermächtigungsgrundlage genüge nicht, hat dazu geführt, dass die Krankenhäuser begonnen haben, aus der PrüfvV die Rosinen zu picken. So versuchte man, äußerst hohe Anforderungen an die Aufrechnung hineinzulesen, obwohl die PrüfvV die bisherige Aufrechnungspraxis nur vereinheitlichen sollte.
Auf der anderen Seiten hielt man sich nicht an die Fristen aus § 7 Abs. 2 S. 3, 4 PrüfvV zur rechtzeitigen Unterlagenübersendung gebunden.
Derartigen Versuchen hat das BSG nunmehr erfreulicherweise eine Absage erteilt. „Pacta sunt servanda“: Dies gilt auch für die PrüfvV. Wer die Unterlagen nicht vollständig und rechtzeitig übersendet, trägt die Konsequenz, nur noch den unstreitigen Betrag beanspruchen zu können. Mit dem darüber hinausgehenden Betrag ist der Krankenhausträger bei Fristversäumnis ausgeschlossen.
Wir beraten und vertreten Krankenkassen in Auseinandersetzungen zur stationären Abrechnung
Als hochspezialisierte Kanzlei beraten und vertreten wir Gesetzliche Krankenversicherungen im Bereich der stationären Abrechnung. Die hier streitige Frage haben wir von Anfang an unter Nutzung der gesamten juristischen Methodik zugunsten unserer Mandanten zugunsten der Ausschlussfrist argumentiert und sind in einigen Verfahren auch in die Berufung gegangen, wenn die Gerichte nicht folgten und die Ermächtigungsgrundlage für unzureichend erachtet haben. Wir sehen in diesen Verfahren jetzt positiven Entscheidungen entgegen.
Rechtsanwalt Dr. Sebastian Krahnert ist zugleich Arzt und leitet unser Team für stationäre Abrechnungsstreitigkeiten. Sollten Sie rechtliche Unterstützung in derartigen Klageverfahren wünschen, nehmen Sie einfach Kontakt mit uns auf.
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Krahnert,
hilfreich wäre es noch gewesen, wenn Sie darauf hingewiesen hätten, dass es sich bei der Aussage eben um ein nicht entscheidungstragendes obiter dictum gehandelt hat, welches allenfalls einen Ausblick für eine zukünftige Entscheidung des Senats darstellen kann. Es bleibt abzuwarten, ob der Senat in aktueller Besetzung dann gleichlautend entscheiden wird, und es wird ggf. auch fallgruppenbezogen zu beurteilen sein, ob bspw. aus vom KH zu vertretenden Gründen überhaupt keine Unterlagen vorgelegt wurden (Stichwort Postlaufzeiten) oder aber nur einzelne Belege fehlten, deren Vorlage sich ggf. aus der Anforderung nicht eindeutig ergab. Auch wäre ich tatsächlich auf eine vertiefte Begründung gespannt, wie der Senat aus § 17c Abs. 2 KHG a.F. eine Ermächtigung herleiten will. Satz 2 bezieht sich lediglich auf die Abweichung bezüglich der Einleitungsfristen für die KKen, im weiteren wird dann konkret nur von Regelungen über die Übermittlung an die KKen – nicht an den MDK – gesprochen, eine explizite Ermächtigung zur Vereinbarung materiell-rechtl. Ausschlussfristen (die dann nicht einmal als solche benannt werden) kann ich da nicht erkennen. Ein „Roma Locuta, Causa finita“ erscheint derzeit noch etwas verfrüht…
MfkG, M. Berbuir
Guten Abend Herr Kollege Berbuir, es trifft zu, dass es sich um ein obiter dictum handelt, dennoch dürften auch solche zur Rechtsklarheit beitragen. Ich bin sehr gespannt, ob und in welcher Weise die Sozialgerichte und Landessozialgericht die Ausführungen aufgreifen. Aus meiner Sicht ist es übrigens gerade nicht so, dass eine Ausschlussfrist als solche bezeichnet werden muss, wenn der Regelungsinhalt gerade eine solche Frist regelt. Das unterscheidet die Übersendungsfrist auch von anderen Fristen, bei denen die Rechtsfolge einfach durch die Bezeichung als Ausschlussfrist geregelt ist. Ob hier tatsächlich Fallgruppen gebildet werden müssen, erscheint mir fraglich. Entscheidend ist, ob durch das fehlende Dokument ein (Teil-)betrag unstreitig gestellt werden könnte. Natürlich bleibt es abzuwarten, wie das BSG mit welcher Begründung entscheiden wird, wenn es auf diese Rechtsfrage ankommt. Der erste Senat wird im Übrigen nicht vollständig neu besetzt. Ich halte die immer wieder geäußerte Vermutung, die Linien der Rechtsprechung würden sich grundlegend ändern, für ebenfalls etwas verfrüht. Warten wir ab, es bleibt spannend.
Freundliche kollegiale Grüße, Dr. Sebastian Krahnert