Berufserlaubnis: keine Verlängerung wegen eines gleichzeitigen Gerichtsverfahrens über die Approbation als Zahnarzt (OVG Berlin-Brandenburg)
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 17.3.2020 (Az. OVG 12 S 1/20) entschieden, dass eine (wiederholte) Verlängerung der Berufserlaubnis nicht in Betracht kommt, wenn die Begründung hierfür in einem parallel laufenden Rechtsstreit über die Erteilung der Approbation liegt. Damit hat sich das Oberverwaltungsgericht gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin gestellt. Dieses hatte dem Antragsteller einen solchen Anspruch noch zugesprochen. Die Entscheidung ist im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes kritisch zu betrachten. Denn sie erschwert den Verwaltungsrechtsschutz gegen die Versagung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes im Approbationsverfahren durch die Nachteile der fehlenden Berufserlaubnis erheblich.
Zahnarzt wollte die Verlängerung der Berufserlaubnis für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens über die Approbationserteilung
Hintergrund des Rechtsstreits war das Begehren eines Zahnarztes, die Verlängerung der Berufserlaubnis über die Regeldauer hinaus zu erhalten, um während des zugleich anhängigen Rechtsstreits über die Erteilung der Approbation weiterhin in seinem Beruf arbeiten zu können.
Ebenso wie bei Ärzten setzt die Berufsausübung von Zahnärzten entweder die Approbation oder die Berufserlaubnis voraus. Die Berufserlaubnis stellt eine vorläufige Ermächtigung zur Berufsausübung dar. Sie bezweckt damit, dass insbesondere Antragsteller mit Abschluss aus dem Ausland, deren Approbationsantrag typischerweise einer aufwendigeren Prüfung unterliegt, im deutschen Gesundheitssystem „ankommen“ und – mit den Beschränkungen der Berufserlaubnis – Berufserfahrung im erlernten Beruf gesammelt werden können.
Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes oder Kenntnisprüfung zur Approbationserteilung
Der Anspruch auf Approbationserteilung ist in § 2 des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) geregelt. Der Anspruch setzt u.a. ein abgeschlossenes zahnmedizinisches Studium an einer Hochschule in Deutschland voraus. Diese Voraussetzung erfüllen Antragsteller mit Abschlüssen aus dem Ausland naturgemäß nicht. Für Abschlüsse außerhalb der Europäischen Union ist daher geregelt, dass dieser Abschluss entwender durch die Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes oder durch die Ablegung einer Kenntnisprüfung ausgeglichen wird.
Für Ärzte oder andere vergleichbare Berufsgruppen existieren vergleichbare Vorschriften in den jeweiligen Regelungen, etwa in der Bundesärzteordnung.
Die Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes auf Grundlage der Unterlagen der Antragsteller ist für viele Antragsteller attraktiver. Während die Durchfallquoten in den Kenntnisprüfungen der Ärzte noch moderat ausfallen, sind diese nach unseren Kenntnissen bei Zahnärzten exorbitant hoch. Über die Gründe kann an dieser Stelle nur spekuliert werden, jedoch deuten Durchfallquoten von ca. 80% in einigen Ländern darauf hin, dass diese Zahlen nicht allein mit der Qualifikation der Antragsteller zu erklären sind.
Rechtsschutz gegen Entscheidungen über die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes
Wollen Antragsteller keine Kenntnisprüfung ablegen und erhalten einen negativen Feststellungsbescheid über die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes, verbleiben nur die Möglichkeiten des Widerspruchs- und des Klageverfahrens, um das Ziel der Approbation zu erreichen und die Bestandskraft des Feststellungsbescheides zu verhindern.
Verlängerung der Berufserlaubnis als Voraussetzung, um während der Verfahrensdauer als Zahnarzt arbeiten zu dürfen
Da diese formalen rechtlichen Verfahren teilweise mehrere Jahre dauern können, hängt die weitere Tätigkeit im Beruf als Zahnarzt von der Verlängerung der Berufserlaubnis ab. Nach § 13 Abs. 2 S. 2 ZHG wird diese auf höchstens zwei Jahre erteilt. Sie darf nach § 13 Abs. 3 S. 1 ZHG im besonderen Einzelfall oder aus Gründen der zahnmedizinischen Versorgung verlängert werden.
OVG Berlin-Brandenburg: gerichtlicher Rechtsschutz im Approbationsverfahren macht keinen besonderen Einzelfall aus
Das Oberverwaltungsgericht führt aus:
[…] Für die Annahme, dass ein besonderer Einzelfall bereits dann gegeben ist, wenn ein Antragsteller gegen einen ablehnenden Feststellungsbescheid Klage erhoben hat, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, ist dagegen mit Blick auf die Überlegungen, die § 13 Abs. 2 Satz 2 ZHG zugrunde liegen, kaum Raum. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Gesetzgeber offensichtlich erreichen wollte, dass Antragsteller mit Drittstaatsdiplomen bis zum rechtskräftigen Abschluss einer gerichtlichen Auseinandersetzung über einen ablehnenden Feststellungsbescheid ihrem im Ausland erlernten Beruf nachgehen können, widerspricht der in § 13 Abs. 2 Satz 2 ZHG als Regelfall vorgesehenen maximalen Frist für die Geltungsdauer einer Berufserlaubnis. Hätte der Gesetzgeber diese Möglichkeit eröffnen wollen, hätte es nahe gelegen, die Regelfrist des § 13 Abs. 2 Satz 2 ZHG entsprechend auszugestalten oder entsprechend dem bereits Ausgeführten einen anderen Regelungsmechanismus zu wählen. Da der Rechtsweg gegen einen ablehnenden Bescheid nach Art. 19 Abs. 4 GG garantiert ist, würde die Annahme, eine offene Klage begründe einen gesetzlichen Ausnahmefall, dem vom Gesetzgeber mit § 13 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 ZHG gewollten Regel – Ausnahmeverhältnis nicht gerecht. […]OVG Berlin-Brandenburg, 17.3.2020, OVG 12 S 1/20, Rn. 6
Diese Ausführungen können nicht überzeugen. Das Gericht lehnt einen besonderen Einzelfall im Sinne des Gesetzes mit der Begründung ab, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des Rechtsschutzes und der mit diesem einhergehenden Verfahrensdauer bei der Regeldauer der Berufserlaubnis berücksichtigt hätte, wenn diese Dauer ein relevanter Aspekt wäre.
Zirkelschlüssige Argumentation
Derartige Überlegungen sind jedoch zirkelschlüssig. Ob eine Ausnahmekonstellation vorliegt oder nicht, kann nicht allein davon abhängen, wie der Gesetzgeber den Regelfall normiert hat. Zwar mag die Erwägung nachvollziehbar sein, zu welchem Zweck der Gesetzgeber die zeitliche Begrenzung auf regelhaft zwei Jahre vorgenommen hat. Das Oberverwaltungsgericht lehnt den besonderen Einzelfall jedoch gerade damit ab, dass der Regelfall die Konstellation des Rechtsschutzes im Approbationsverfahren nicht berücksichtigt. Es unterstellt dem Gesetzgeber, dass er die gerichtliche Verfahrendauer bei der Regeldauer berücksichtigt hätte, wenn dieser Aspekt für ihn von Relevanz gewesen wäre.
Die Argumentation verkennt jedoch, dass der Gesetzgeber bei der Normierung einer Regeldauer gerade nicht den gerichtlichen Rechtsschutz berücksichtigen muss. Denn nur ein kleiner Anteil der Antragsteller wird diesen Rechtsschutz überhaupt ersuchen. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis würde daher nicht unterlaufen, wenn die Berufserlaubnis während der Dauer des gerichtlichen Rechtsschutzes ausnahmsweise verlängert wird. Rechtmäßiges Verwaltungshandeln unterstellt, akzeptieren viele Antragsteller die Wertungen im Feststellungsbescheid un legen ggf. eine Kenntnisprüfung ab. Die Rechtspraxis zeigt, dass der gerichtliche Rechtsschutz gegen diese Entscheidungen nicht der Regelfall ist. Eine Verkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses ist unter keinem Gesichtspunkt zu befürchten.
Typischerweise wird sich ein Approbationsantragsverfahren im Regelfall in zwei Jahren abschließen lassen. Nur ausnahmsweise kommt es zur Verzögerung durch gerichtliche Verfahren. Diese Möglichkeit ist aber durch verfassungsmäßige Rechte der Antragsteller untermauert. Eben in diesem Fall ist es naheliegend, einen „besonderen Einzelfall“ zu erblicken. Gerade hierfür hat er die Verlängerungsmöglichkeit mit einem unbestimmten Rechtsbegriff versehen.
Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg unterläuft das Recht auf effektiven Rechtsschutz
Das Oberverwaltungsgericht begründet die Entscheidung zudem damit, dass dem Kläger ebenso die Möglichkeit zur Kenntnisprüfung offengestanden habe und zudem der Patientenschutz zu berücksichtigen sei (Rn. 13). Tatsächlich handelt es sich hierbei um relevante Aspekte, die jedoch ebenso keine durchgreifende Begründung liefern können:
Die Kenntnisstandprüfung ist während des Verfahrens über die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nicht ohne Risiko
Soweit das OVG auf die Möglichkeit zur Kenntnisprüfung abstellt, ist dem zu entgegnen, dass der Gesetzgeber gerade zwei Wege des Ausgleiches des fehlenden Studienabschlusses in Deutschland vorsieht. Es mag unterschiedliche Gründe geben, warum Antragsteller (zunächst) keine Kenntnisprüfung ablegen wollen. Ein wesentlicher Grund dürfte gerade bei Zahnärzten in der exorbitant hohen Durchfallquote liegen. Ein anderer Grund ist, dass die Behörden teilweise das Nichtbestehen der Kenntnisprüfung als Indiz gegen die Gleichwertigkeit anbringen. Es ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar, dass einige Zahnärzte zunächst rechtskräftig geklärt wissen wollen, ob die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes vorliegt. So vermeiden sie nicht nur das Nichtbestehen der Prüfung, sondern auch die Verschlechterung der Chancen im Prozess um die Gleichwertigkeit, da ein „Durchfallen“ später im Prozess gegen die Antragsteller genutzt werden kann.
Vor diesem Hintergrund haben Antragsteller mit der Entscheidung des OVG letztlich folgende Wahl:
- Durchführung der Kenntnisprüfung: Beim Bestehen der Prüfung erledigt sich das Klageverfahren, weil kein Rechtsschutzinteresse für die Feststellung der Gleichwertigkeit mehr vorliegen dürfte. Die Antragsteller dürften bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann zeitnah die Approbation erhalten. Demgegenüber besteht gerade bei Zahnärzten ein hohes Risiko, die Kenntnisprüfung nicht zu bestehen. In diesem Fall entsteht ein Argument zugunsten der Behörde; nämlich, dass das Nichtbestehen die fehlende Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes indiziere.
- Keine Kenntnisprüfung: Da nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts die Berufserlaubnis nicht zu verlängern ist, um den Prozess zu flankieren, ist eine zahnärztliche Tätigkeit nach Ablauf der Berufserlaubnis nicht möglich. Die Antragsteller können dann ggf. außerhalb ihres Berufs arbeiten. Dies geht typischerweise mit Einkommensverlusten, mit dem Verlust von Berufspraxis und einem Bruch im Lebenslauf einher.
Erkennbar führt die Rechtsauffassung des OVG dazu, dass beide Varianten für die Antragsteller mit Nachteilen einhergehen. Angesichts von Verfahrensdauern entsprechender Verwaltungsgerichtsverfahren und angesichts des Risikos, den Prozess über die Gleichwertigkeit am Ende zu verlieren, wird der Rechtsschutz für die Antragsteller damit ineffektiv.
Ein Rechtsschutz ist nicht mehr effektiv, wenn dessen Einschlagen für den Kläger bzw. Antragsteller erhebliche Nachteile mit sich bringt und ihm faktisch die Wahlmöglichkeit zwischen zwei zulässigen Verfahrenswegen genommen wird.
Patientenschutz wird durch das Prüfprogramm der Norm sichergestellt
Auch das Argument des Patientenschutzes vermag nicht abstrakt-generell durchzugreifen. Die Verlängerung der Berufserlaubnis setzt nicht nur (u.a.) den besonderen Einzelfall voraus, sondern ist zugleich als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Selbst wenn man sich darüber streiten mag, wieviel Ermessen noch verbleibt, wenn der besondere Einzelfall bejaht wird (Verbindung von unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessen), sind begründete Zweifel an der Wahrung des Patientenschutzes auch bei vorliegendem besonderen Einzelfall auf Tatbestandsseite als Ermessenserwägung gegen die Verlängerung der Berufserlaubnis zulässig. Hierauf weist etwa auch das Verwaltungsgericht Aachen, 20.2.2015, 5 L 66/15, hin.
Rechtsschutz im Approbationsverfahren ohne Verlängerung der Berufserlaubnis deutlich erschwert
Nach unserer Einschätzung überzeugt die Versagung der Verlängerung der Berufserlaubnis nicht. Ein gerichtliches Verfahren ist im Rahmen des Antragsverfahrens nicht der Regelfall. Entscheidet sich jedoch ein Antragsteller, die Entscheidung der Behörde zu überprüfen, ist es ein verfassungsrechtliches Gebot, diese Überprüfung durch die Gerichte zu ermöglichen. Formal betrachtet besteht diese Überprüfungsmöglichkeit selbstverständlich weiterhin. Die erheblichen Nachteile des Verlustes der Berufserlaubnis machen die gerichtliche Überprüfung jedoch vielfach unattraktiv. Dies mag die Gerichte „entlasten“, räumt den Behörden zugleich mehr Freiräume ein, da sie noch weniger Klageverfahren befürchten müssen.
Insgesamt ist dem effektiven Rechtsschutz mit dieser Entscheidung leider nicht gedient.
Wir beraten und vertreten bei der Erlangung der Approbation und Berufserlaubnis. Bei Fragen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.