Hodentorsion und ärztlicher Behandlungsfehler
Die Hodentorsion stellt ein hochakutes Krankheitsbild dar, das für den Betroffenen eine erhebliche Gefahr des Organverlustes mit sich bringt. Aus diesem Grund ist die Hodentorsion ein häufiger Gegenstand arzthaftungsrechtlicher Auseinandersetzungen. Als Kanzlei blicken wir auf viele Fälle zurück, in denen Ärzte trotz entsprechender Hinweiszeichen eine Hodentorsion nicht erkannt haben. Die Folgen begleiten die Geschädigten ein Leben lang. Die Torsion Erwachsene, vor allem aber Kinder betreffen. Rechtsanwältin Katja Krahl ist Expertin für Kinderschadensrecht und hat eine Vielzahl von Fällen mit Schäden aus Hodentorsionen betreut.
Krankheitsbild der Hodentorsion
Die Hodentorsion kann sich wie ein Chamäleon verhalten. Sie kann sich hinter unspezifischen Symptomen verbergen. Das „Verdrehen“ (Stieldrehung) des Hoden führt zur Infarzierung, d.h. das in den Hoden einfließende Blut fließt nicht mehr ab. Es staut sich im Hoden, der dadurch blutgefüllt abstirbt. Dieser Vorgang zeigt sich oft durch starken Schmerz im Bereich der Hoden. Ein solches Leitsymptom ist aber nicht zwingend. Auch plötzlich auftretende Schmerzen im Bauchraum bei Jungen nach dem Spielen mit anderen Kindern oder anderer körperlicher Aktivität, motorische Unruhe und vegetative Symptome wie Übelkeit und Erbrechen können auf eine Hodentorsion hindeuten. Hier besteht eine Gefahr, dass die Torsion mit einer einfachen Gastroenteritis verwechselt wird. Aufgrund der lang unverändert anhaltenden Schmerzen suchen viele Betroffene allein oder mit ihren Eltern einen Arzt auf.
Ärztliche Diagnostik der Hodentorsion
Die umgehend durchzuführenden ärztlichen Untersuchungen beinhalten nach der Schilderung des Krankheitsverlaufs notwendigerweise die körperliche Untersuchung. Da Bauchschmerzen für viele Krankheiten als Symptom in Frage kommen muss der behandelnde Arzt alle ernsthaft in Frage kommenden Krankheiten während seiner Untersuchung differentialdiagnostisch ausschließen. Oft wird eine Verstopfung als Ursache angenommen. Behandelt durch einen Einlauf bessern sich die Beschwerden bei Vorliegen jedoch sofort deutlich und prompt. Wenn die Beschwerden weiterhin bestehen bleiben und ein akutes Abdomen wegen mangelnder Abwehrspannung ausgeschlossen werden konnte, müssen weitere Untersuchung erfolgen. Insbesondere ist die sorgfältige Dokumentation des Charakters, Lokalisation und Auftreten des Schmerzes, eine sorgfältige Palpation des Bauchraums, eine Auskultation der Lunge, die Inspektion und Palpation der Leiste rund des Hodens geboten.
Eine orientierende Untersuchung des Skrotums muss zum Ausschluss einer akuten Hodentorsion unbedingt erfolgen. Betroffene reagieren in der Hodenregion schon bei leichten Druckschmerz besonders schmerzempfindlich und vereinfachen so die Diagnosefindung. Werden die Schmerzen vom Betroffenen als im Unterbauch vorliegend beschrieben, ist das aber kein Ausschlusskriterium für eine Hodentorsion! Es ist durchaus möglich, dass Schmerzen in den Leistenkanal und Unterbauch ausstrahlen. Schließlich entwickelt der Hoden sich aus dem Bauchraum heraus und wandert erst nach der Geburt in den Hodensack. Seine Blut- und Nervenversorgung bezieht er dabei weiterhin aus dem Bauchraum. Anders als bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes ist der Bauch bei einer Hodentorsion weich und auch bei tiefer Palpation nicht druckschmerzempfindlich. Die Befunderhebung kann der Arzt auch durch eine Ultraschall- oder Doppleruntersuchung objektivieren. Eine sonographische Doppleruntersuchung weist den Blutfluss nach.
Enges Zeitfenster zur Behandlung einer Hodentorsion
Bleibt eine rechtzeitge Diagnosestellung aus, können sich die zuerst wahrgenommenen Schmerzen mit der Zeit abschwächen. Der Hoden nekrotisiert (Absterben des Hodengewebes) aufgrund des zum Stillstand gekommenen Blutflusses. Infolgedessen tritt eine Entzündungsreaktion und eine Rötung des Hodens und umliegenden Gewebes auf.
Bei Vorliegen einer Hodenstorsion bleibt dem Betroffenen regelmäßig nur ein Zeitfenster von wenigen Stunden, um durch manuelle oder operative Therapie den torquierten Hoden zu retten und eine Orchiektomie (Entfernung des Hodens) zu verhindern. Im Zweifel legt der sorgfältig arbeitende Mediziner bei unklarer Diagnostik zur Sicherheit den Hoden frei; allein, um sich ein Bild zu machen und den Hoden dann bei Bestätigung einer Hodentorsion zu retten.
Folgen des Organverlustes
Verliert der Betroffene den Hoden, kann es im weiteren Verlauf des Lebens zu Problemen kommen. Mit dem verbleibenden zweiten Hoden besteht vielfach noch eine Zeugungsfähigkeit. Allerdings besteht eine erhöhte Gefahr für den Rest des Lebens, dass dem verbleibenden zweiten Hoden ebenfalls ein Schaden zugefügt wird. Denkbar sind etwa unfallbedingte (traumatische) Organverluste oder eine Erkrankung, etwa der Hodenkrebs. Neben dem Verlust des Hodens kann es im späteren Lebensverlauf zu psychischen Belastungen aufgrund der ästhetischen Problematik und einer damit einhergehenden Einflussnahme auf soziale Beziehungen kommen.
Zwar kann der fehlende Hoden durch eine Prothese ersetzt werden, bis dieser kosmetischen Eingriff erfolgt kann der verbliebende Hoden sich im jetzt geräumigeren Hodensack aber leichter drehen. Damit besteht erneut die Möglichkeit einer Hodentorsion. Es kommt darauf an, in diesem Fall den Hoden zu fixieren. Während die Entfernung eines Hodens keine Auswirkungen auf die Fertilität haben soll, kann eine gestörte Hodenfunktion im späteren Leben (vor allem, wenn die Hodentorsion vor der Pubertät auftritt) nicht sicher ausgeschlossen werden.
Rechtliche Ausgleichsmöglichkeiten
In Fällen einer nicht diagnostizierten Hodentorsion kann im Fall des Nachweises eines Behandlungsfehlers u.a. ein Schmerzensgeld geltend gemacht werden. Häufige Anknüpfungspunkte für ärztliche Behandlungsfehler sind hier das fehlerhafte Diagnostizieren, noch mehr allerdings das Unterlassen der Einholung von Befunden. Damit ist die Nichtdurchführung diagnostischer Maßnahmen gemeint, die ein sogfältig agierender Facharzt vornehmen würde. Im Zweifel sollte hier jedoch eine anwaltliche Beratung erfolgen, denn die Abgrenzung von Diagnosefehler und Befunderhebungsfehler ist oft nicht einfach.
Die gerichtlich zugesprochenen Schmerzensgelder bewegen sich vielfach zwischen 17.000 € und 23.000 € (z.B. OLG Köln, Urteil vom 23.01.2002 – 5 U 85/01). Die ausschlaggebenden Kriterien sind hier vor allem das Alter des Betroffenen (OLG Nürnberg, Urteil vom 23.9.1997 – 1 U 1983/97), die Schwere des Fehlverhaltens des Arztes (OLG Brandenburg, Urteil vom 14.11.2001 – 1 U 12/01), die Dauer und Intensität der Schmerzen aber auch die psychischen Folgen beispielsweise aufgrund des Verlustes der Zeugungsfähigkeit, wegen der Ungewissheit über die künftigen Auswirkungen oder aufgrund der Furcht vor dem endgültigen Verlust auch des zweiten Hodens (LG Regensburg, SU vom 23.07.2007 – 4 O 2167/06).
Möglichkeit der rechtlichen Vertretung
Als Kanzlei sind wir auf das Medizinrecht hochspezialisiert und verfügen neben rechtlicher Qualifikation auch über medizinisches Wissen. Rechtsanwalt Dr. Sebastian Krahnert ist Fachanwalt für Medizinrecht und zugleich Arzt. Rechtsanwältin Katja Krahl hat sich insbesondere auf das Kinderschadensrecht spezialisiert. Insgesamt arbeiten wir im Grenzgebiet zwischen Medizin und Recht als erfolgreiches Team zusammen und konnten vielen Geschädigten bereits zu Schmerzensgeld und weiterem Schadensersatz verhelfen.
Sollten Sie Hilfe benötigen, nehmen Sie einfach Kontakt mit unserer Kanzlei auf und vereinbaren einen Beratungstermin.