BSG: Andeutung zu Ausschlussfristen nach der PrüfvV
Rechtlich umstritten ist die Frage, ob die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) zwischen Krankenkassen, MDK und Krankenhäusern auch Ausschlussfristen zulasten der Krankenhäuser regelt. Während einige Gerichte solche annehmen, lehnen sie andere ab. Die Judikatur ist bislang uneinheitlich. Streitig sind hier in erster Linie die Rechtsfolgen verspätet oder nicht übersandter Unterlagen nach § 7 Abs. 2 S. 3, 4 PrüfvV sowie diejenigen verspäteter oder wiederholter Nachkodierung bzw. Rechnungskorrektur nach § 7 Abs. 5 PrüfvV. Überzeugend ist insoweit die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zu § 7 Abs. 2 S. 3, 4 PrüfvV (verspätete Unterlagenübersendung).
Die Prüfverfahrensvereinbarung ist ein Regelungswerk der Selbstverwaltung
Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass die Vertragspartner der PrüfvV ein austariertes Regelungswerk geschaffen haben. Beide Seiten mussten „Kröten schlucken“. Es stellt einen erheblichen Eingriff in die Selbstverwaltungsautonomie dar, Ausschlussfristen als nicht mehr von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt zu verwerfen. Denn eines steht fest: Der Wortlaut der o.g. Vorschriften regelt eindeutig Ausschlussfristen. Systematisch zeigt sich, dass der PrüfvV solche Fristen nicht fremd sind. Sie entsprechen auch dem Zweck der PrüfvV, nämlich ein effizientes und konsensorientiertes Verfahren zu organisieren. Damit ist es weder vereinbar, Unterlagen nicht zu übersenden und so die MDK-Prüfung zu verschleppen, noch nach Abschluss des Prüfverfahrens nachzukodieren, um die Begrenzungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV zu umgehen.
Ermächtigungsgrundlage lässt Ausschlussfristen zu
Das schärfste Schwert war hier bislang die Rechtsauffassung, die Ermächtigungsgrundlage zur PrüfvV gebe entsprechende Ausschlussfristen nicht her. Wir halten dies für falsch. Denn das Gesetz formuliert sehr offen („insbesondere“). Es ist wenig überzeugend, zur Organisation eines effizienten Prüfverfahrens zu ermächtigen, zu dem auch Fristen gehören, zugleich aber keine ernsthaften Rechtsfolgen an das Versäumen der Frist zuzulassen. Eine so verstandene Ermächtigungsgrundlage würde ihren eigenen Zweck konterkarieren. Der Gesetzgeber schreibt selbst, dass er ein effizientes Prüfverfahren will. Dieses Ziel wird durch Ausschlussfristen realisiert.
BSG: Unter der PrüfvV gibt es Ausschlussfristen zulasten der Krankenhäuser
Im Terminbericht 52/19 vom 19.11.2019 lässt das Bundessozialgericht nun erkennen, von wirksamen Ausschlussfristen unter der PrüfvV zulasten der Krankenhäuser auszugehen. Jedenfalls in einem Fall, der die verspätete Unterlagenübersendung vor Geltung der PrüfvV zum Gegenstand hatte, macht das BSG einen Gegensatz zur Rechtslage unter Geltung der PRüfvV auf:
Anders als bei Ausschlussfristen wie in der später geltenden PrüfvV existiert für den betroffenen Behandlungsfall keine gesetzliche oder vertragliche Grundlage, nach der das Krankenhaus im Rechtsstreit über eine weder verjährte noch verwirkte Vergütungsforderung mit tatsächlichem Vorbringen nach Ablauf bestimmter Fristen ausgeschlossen wäre. (aus: Terminsbericht zu BSG, Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 33/18 R)
Es bleibt, die Urteilsgründe abzuwarten, aber die Andeutung des BSG ist sehr spannend. Es geht offenbar von Fristen aus, also von mehreren. Zudem geht das BSG offenbar von der Rechtsfolge aus, dass Krankenhäuser mit tatsächlichem Vorbringen ausgeschlossen sind, mithin Ausschlussfristen vorliegen. Die einigen sinnvoll gemeinten Ausschlussfristen sind dabei die der verspäteten Unterlagenübersendung und die der verspäteten Nachkodierung bzw. Nachberechnung.
Es bleibt spannend.
Wir vertreten Krankenkassen bundesweit in Rechtsstreiten über stationären Abrechnungen. Gerne können Sie Kontakt mit uns aufnehmen.
[Update am 27.1.2020: Mittlerweile liegen die Urteilsgründe vor. Wir haben hierzu einen gesonderten Artikel veröffentlicht.]