Besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA): Die Farce geht weiter
Unsere Kanzlei für Medizinrecht steht dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) aufgeschlossen gegenüber: Der elektronische Rechtsverkehr ermöglicht Kosteneinsparung (insbesondere Porto, Versandmittel, Druckkosten und Papier), Effizienzsteigerungen und die Reduzierung der Nutzung alter Technologie (die durchaus ihre Berechtigung haben) wie das Telefax. Mit dem beA besteht berechtigte Hoffnung, dass umfangreiche Schriftsätze sicher, kostengünstig und mit Zustellnachweis dem Gericht oder der Gegenseite elektronisch übermittelt werden können. Unsere Kanzlei setzt bereits jetzt auf digitalisierte Arbeit. Ein Schreibtischscanner gehört zur Standardausstattung. Wir befürworten die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs.
Entscheidung des AGH bremst das Anwaltspostfach aus
Es mag sein, dass es tatsächlich rechtliche Argumente gibt, die gegen eine „zwangsweise“ Freischaltung des beA sprechen. Dass aufgrund der Eilrechtsschutzentscheidung des AGH Berlin jedoch das beA wieder insgesamt auf Eis gelegt werden muss, ist einfach nur noch eine Farce. Bereits Anfang des Jahres 2016 sollte das beA freigeschaltet werden; eine Verschiebung erfolgte damals, um eine zufriedenstellende Nutzbarkeit sicherzustellen.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) führt zu Recht an, dass (erstens) die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs zumindest einen Probebetrieb des beA für die „Willigen“ nicht gefährden sollte und dass (zweitens) die Anwaltschaft wohl mehrheitlich den elektronischen Rechtsverkehr befürwortet. Auch aus unserer Sicht sollte das Anwaltspostfach beA wie geplant Ende September in Betrieb gehen. Ein weiteres Zuwarten ist nur noch eine Fortschrittsbremse. Unklarheiten lassen sich auch im laufenden Betrieb beseitigen. Das beA kann beständig fortentwickelt und erkannte Mängel in der Anwenderfreundlichkeit kontinuierlich behoben werden.
Beharren auf antiquierte Technologien in Anwaltskanzleien?
Ohne Frage: Bestimmte Technologien wie das Telefax haben ihre Berechtigung und werden auch in Zukunft ihre Anwendungsgebiete haben. Aus eigener Erfahrung ist uns aber bekannt, dass es durchaus Kanzleien gibt, die im Übermaß auf die Technologien von gestern setzen. Schreibmaschinen-Schriftsätze und peinlich formatierte Computerdokumente müssen nicht mehr sein. Mandanten sollten sich gut überlegen, sich nicht besser von einem Anwalt vertreten zu lassen, der zeitgemäße Technologie beherrscht und nutzt.
Aus welchen Gründen einzelne Anwälte auch immer motiviert waren, gegen das beA vorzugehen: Wir hoffen auf eine möglichst zeitnahe Inbetriebnahme des Systems, so dass endlich zuverlässig und in nachvollziehbarem rechtlichem Rahmen über das Anwaltspostfach elektronisch kommuniziert werden kann.
Wir hoffen, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht zum „BER“ und das technisch altbacken anmutende EGVP zum „TXL“ der Anwaltschaft wird.
Artikel anderer Blogs zum Thema:
- Der Law Blog sieht das beA eher kritisch: „Ich habe noch mit keinem Anwalt über das beA gesprochen, der dem Projekt irgendwas Positives abgewinnen konnte.“ (Anmerkung: Aus unserem Umfeld kennen wir auch andere Anwälte, die das Projekt grundsätzlich positiv finden.)
- RA Alessandro Fuschi: „beA (mal wieder) auf unbestimmte Zeit verschoben“ mit kritischen Anmerkungen zur laut BRAK angeblich nicht bestehenden ausdifferenzierten Freischaltung.
- Eher positiv eingestellt scheint auch bea-abc.de: „Anwaltspostfach beA in der Warteschleife“.
- RA Hänsch: „beA kommt! (irgendwann)“
- Unsere Ansicht teilt auch RA Andreas Nörr: „Die Anwaltschaft braucht das beA“
6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Sehr geehrter Herr Kollege Krahnert,
ich pflichte Ihnen insoweit bei, als dass auch ich den technischen Fortschritt hin zum elektronischen Anwaltspostfach grundsätzlich begrüße. Aber ich möchte innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens selbst entscheiden können, wann ich mein Anwaltspostfach freischalte. Als Einzelanwalt mit einem ständig immens hohem Arbeitsaufkommen sehe ich mich nämlich nicht in der Lage, alles stehen und liegen zu lassen und mich äußerst zeitaufwendig mit dieser technischen Neuerung zu beschäftigen. Die Umstellung muss hier über Monate im Voraus geplant und hierfür ein zeitlicher Puffer geschaffen werden, in welchem ich mich nicht sklavisch dem ständigen Termindruck ablaufender Schriftsatzfristen beugen muss. Es darf daher nicht sein, dass mich eine Kammer zwingt, dieses Postfach ab einem bestimmten Datum x zwingend zu nutzen.
Herzliche kollegiale Grüße
RA Volker Dahlbokum, LL.M.Eur., LL.M.
@Volker Dahlbokum: Ihr Wunsch wird Realität. Das besondere elektronische Anwaltspostfach wird ab 29.9.2016 allen zur Verfügung stehen, die es freiwillig nutzen wollen. Ab 1.1.2018 folgt die passive Nutzungspflicht (= empfangen). So kann jeder Anwalt den für seine Kanzlei passenden Zeitpunkt wählen. Mein Tipp: Erstellen Sie Ihren individuellen Zeitplan, bedenken Sie auch, dass ab 1.1.2017 die Nutzung des Schutzschriftenregisters Pflicht wird und ab 1.1.2018 das Barcode-Mahnverfahren abgeschafft wird.
Danke für den Kommentar. Ich kann Ihre Ansicht nachvollziehen. Wie Frau Cosack schreibt, scheint die Einführung des beA nun auch in Ihrem Sinne zu erfolgen. Insgesamt dürften die Interessen vieler Anwälte nun erfasst sein. Ich bin gespannt, ob die Einarbeitung in das beA wirklich so aufwändig ist, wie Sie befürchten. Wenn es tatsächlich mit einem E‑Mail-Account vergleichbar ist, dürfte es aus meiner Sicht nicht kompliziert werden. Schon jetzt bietet etwa drebis die Möglichkeit, mit den Rechtsschutzversicherern unkompliziert und kostengünstig zu kommunizieren — über eine eigene Kommunikationsplattform. Ich hoffe, das beA ist gut gemacht und erleichtert den elektronischen Rechtsverkehr nachhaltig. Insoweit muss ich die Realität aber genauso abwarten wie Sie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich teile vollumfänglich die Meinung der Kanzlei Krahnert. Das Gezerre um beA ist ein Farce.
Anscheinend benutzen aber nur wenige beA-Befürworter das bereits existierende und für Anwälte offenstehende EGVP. Warum nicht? Der Einrichtungsaufwand ist sogar geringer, und in punkto Einreichung von Schriftsätzen erfüllt es die gleichen Funktionen wie das beA. Und wenn man Glück hat, antwortet das Gericht auch über EGVP.
Freundliche Kollegiale Grüße,
P. Müller Hofstede
Wir wollten nicht das EGVP-System in den Kanzleialltag einführen, wenn es ohnehin absehbar eingestellt wird. Die Aussicht auf die Eröffnung des beA war der Grund, EGVP bei uns nicht zu nutzen.
@RA Patrik Müller Hofstede: Das EGVP ist quasi der Vorgänger des beA. Beide „fahren“ auf der Datenautobahn der Justiz, beA ist jedoch das „modernere“ Kommunikationsmittel. Da das EGVP schon abgekündigt wurde und lediglich weitergeführt wird, bis beA an den Start geht, macht es wenig Sinn, jetzt noch auf das EGVP zu setzen. Diejenigen, die bereits EGVP nutzen, können z.B. im Mahnverfahren entscheiden, wann ein Umstieg sinnvoll ist. In jedem Fall wird ab 1.1.2018 das Mahnverfahren nur noch elektronisch möglich sein. Alle Kanzleien, die hier aktiv sind, werden das beA dann auch für die Ausgangspost nutzen müssen. Die Bedienung des beA ist einfach. Man sollte sich jedoch im Vorfeld Gedanken machen, wer welche Rechte erhält. Ich werde hierzu in der nächsten eBroschüre des Deutschen Anwaltverlages Tipps und Hinweise veröffentlichen.